2002 Fiktives Vermögen eintreiben

Die Realität treibt fiktives Vermögen ein

Häufig glaubt ein Schuldner, der Konkurs anmeldet, er habe solange Ruhe vor den Gläubigern, als er nicht zu neuem Vermögen gekommen sei. Irrtum.

von Sikander von Bhicknapahari *

Einmal mehr führt eine von der Creditreform publizierte Statistik per Ende Juni 2002 das Gastgewerbe als führende Branche in Sachen Konkursen auf. Um 14 Prozent haben diese Konkurse bei Restaurants, Kantinen und Caterer im ersten Halbjahr zugelegt, um 9.4 Prozent bei den Hotels.

Flucht in den Konkurs?

Bei solchen Werten stellt sich die Frage, ob sich einige Gastgewerbler unnötigerweise in den Konkurs flüchten im Glauben, sie hätten so ihre Schulden abgeschüttelt. Dies kann im Idealfall bei einer AG oder GmbH der Fall sein, bei einer Einzelfirma oder Kollektivgesellschaft jedoch nicht. Bei einer Genossenschaft kommt es auf die Statuten an. Die OWG-Genossenschafter beispielsweise mussten nachzahlen.

SchKG Art. 265 Abs. 2 Satz 2 sagt zwar «Jedoch kann gestützt auf ihn (gemeint ist der Verlustschein) eine neue Betreibung nur eingeleitet werden, wenn der Schuldner zu neuem Vermögen gekommen ist», dieser Satz ist jedoch nicht wortwörtlich zu nehmen. Nach einem Konkurs lösen sich die alten Schulden nicht einfach in Luft auf. Die Mär vom laufend verdienten Lohn, mit dem in Saus und Braus gelebt werden könne, stimmt nicht. Auch eine proforma auf eine andere Person eingetragene neue Firma schützt nicht vor den Gläubigern.

Fiktives Vermögen ist möglich

Wird ein Konkursiter für eine alte Schuld betrieben, so erhebt er Rechtsvorschlag mit der Begründung, er habe kein neues Vermögen. Diese Erklärung allein schützt ihn nicht vor einem erneuten Zugriff der Gläubiger. Ob ein Schuldner zu neuem Vermögen gekommen ist, entscheidet ein Gericht in einem summarischen Verfahren.

Dabei wird es nicht nur feststellen, ob neues Vermögen vorhanden sei, es wird auch ermitteln, wieviel ein Schuldner hätte sparen können. Es reicht also nicht, kein Geld auf dem Konto anzuhäufen.

In einem Basler- Fall wurde z.B. festgestellt, dass eine Wohnungsmiete in Höhe von Fr. 2'500.- nicht angemessen sei, Fr. 1'500.- müssten reichen. Also seien Fr. 1'000.- als theoretisch monatlich zu bildendes neues Vermögen zu betrachten. Und zwar rückwirkend!

Dieses fiktive Vermögen muss der Schuldner (bzw. in jenem Fall die Schuldnerin) dem Gläubiger bezahlen. Da fiktives Vermögen jedoch nicht vorhanden ist, kommt es zur Pfändung. Das heisst, schlussendlich wird auch nach einem Konkurs wie bei einer normalen Pfändung ein betreibungsrechtliches Existenz-Minimum ermittelt. Einziger Vorteil beim Konkurs ist, dass auf diesem Minimum je nach Kanton noch 20 – 40 Prozent dazugeschlagen werden. Nachteil, der Makel eines Konkurses bleibt haften.

Das neue Eherecht spielt mit

In Luzern wurde durch das Obergericht festgehalten, dass unter dem neuen Eherecht das Einkommen des nichtbetriebenen Ehegatten in die Berechnung miteinbezogen werden könne. Verfüge der Ehegatte des Schuldners über ein eigenes Einkommen, so ist das gemeinsame Existenzminimum von beiden Ehegatten im Verhältnis zu ihrem Nettoeinkommen zu tragen.

Kein Geld den Sanierungshaien

Es empfiehlt sich deshalb, vor einem Konkurs sämtliche anderen Schuldenregulierungs-Möglichkeiten zu prüfen. Nicht empfehlenswert ist es, sich in die Reisszähne eines Kredithais zu begeben. Auch wenn dessen Inserate im Kapitalmarktteil der Tageszeitung sehr verlockend wirken, blättern Sie weiter zum Erotikteil oder besuchen Sie lieber gleich ein Casino und werden so das letzte Geld spielerisch los.

Das Gespräch suchen

Rechtzeitig mit den Gläubigern eine Lösung zu suchen oder einen auch im Gesetz vorgesehen Nachlass in Betracht zu ziehen wäre besser. Damit ein gerichtlicher Nachlass zustande kommt, müssen jedoch z.B. zumindest die pfandgesicherten Forderungen gedeckt sein. Vorausschauendes Handeln lohnt sich, vor dem Gespräch mit den Gläubigern für ein genügend grosses Liquiditätspolster zu sorgen, ebenso. Einige Lieferanten werden nach einer solchen Information auf Ware gegen Geld umstellen. Deshalb empfiehlt es sich, nicht allzulange nach dem Prinzip Hoffnung zu leben und zu glauben, ein Lottogewinn werde die unabwendbare Situation klären.

Schutz durch eine juristische Person?

Nach der Insolvenz einer AG oder GmbH ist häufig auch mit einem Zugriff auf das private Geld zu rechnen. Sozialversicherungen können z.B. auf jene Personen, die als Verantwortliche im Handelsregister eingetragen waren, zurückgreifen. Zudem könnten bei grösseren Beträgen die übrigen Gläubiger versucht sein, mittels Verantwortlichkeitsklagen ebenso auf die im Handelsregister eingetragenen Organe Rückgriff zu nehmen. Im Nachhinein lässt sich’s leicht sagen, die Firma sei schon lange ein Konkursfall gewesen, es handle sich deshalb um eine Verschleppung des Konkurses.

Eine saubere Weste

Ein gescheiterter Versuch, sich als Unternehmer zu bewähren, ist nicht das Ende des Erwerbslebens. Einige Arbeitgeber sind jedoch gerade in bargeldorientierten Betrieben dazu übergegangen, nur noch Mitarbeiter ohne Eintrag im Betreibungsregister einzustellen. Ein Grund mehr, rechtzeitig mit den Gläubigern den Ausstieg und Neubeginn zu planen. Die Gläubiger haben ein Interesse daran, ihre Schuldner in Zukunft ein Einkommen erzielen zu lassen.