2002 S+P 1

 

"Visionäre sind die wahren Realisten"

Dieser Spruch stammt nicht von Helmut Kohl und seiner Vision der schwarzen Kassen, sondern von Fellini. Deshalb eignet er sich auch sehr gut dazu, Anfang Jahr im Salz&Pfeffer stehen. Die Streuer aus Winterthur haben auch dieses Jahr wieder die Vision, ein bisschen heile Welt für Geniesser zu schaffen. Natürlich hat das mit Sisyphus-Arbeit zu tun.Der Lohn besteht häufig weniger in Geld, als vielmehr in Streicheleinheiten von Lesenden via Leserbrief oder anlässlich eines Events. Kaum freuen wir uns, dass eine gastronomische Zumutung vom Markt verschwunden ist, lauert bereits die nächste fragwürdige Entwicklung darauf, die Konsumenten vom rechten Weg abzubringen.

Fondue Zeit

Es ist kalt draussen, und deshalb Fondue-Zeit. In einer abgehobenen Szene eines Fellinifilms fühle ich mich, wenn die Käsebranche Fertigfondue in der Einpersonen-Portion verkauft. Sie eigne sich besonders für die Mikrowelle. Man stelle sich vor, wie die Familie mit dem Mikrowellenherd in der Tischmitte Fondue isst. Fellini hätte eine solche Szene als Witz gedreht, bei uns droht sie Realität zu werden. Es geht allerdings auch ohne Mikrowelle. Ähnlich dem Kartoffelstock in Pulverform, ist das Fondue aus dem Beutel fast schon selbstverständlicher Standard geworden. Aber das allein reicht nicht, es kommt noch schlimmer. Es wurde ein Fondue-Light erfunden! Im Inhaltsverzeichnis kann natürlich nicht mehr Greyerzer, Appenzeller oder Vacherin Käse stehen, sondern es steht einfach 56% Schweizer Käse, dazu unter anderem auch noch Schmelzsalze. Kirsch hat da nichts verloren. Da geht ein Stück Esskultur verloren.

Was passiert wohl, wenn Gast bei einem Besuch im Café du Midi in Fribourg statt eines bestimmten Fondues einfach eines mit Schweizer Käse bestellen würde? Klatsch. Das ist eine Ohrfeige an diejenigen, die sich um eine vielseitiges Fondueangebot kümmern. Lokalverbot wäre wohl die geringste Sanktion, ein Bad im Abwasserbehälter der die Standseilbahn betreibt, wohl gerade noch die Mindeststrafe ...

Einem Grossverteiler kann aber kein Lokalverbot erteilt werden. Statt ein Appenzeller oder moitié-moitié Fondue wird nun einfach pauschal eine undefinierte Masse von Schweizerkäse Fondue genannt. Es handelt sich wohl um Schmelzkäse. Das sind jene Überbleibsel, die beim viereckig schneiden der runden Käselaibe anfallen. Aus diesen Resten werden gummige Käsescheibletten hergestellt, und vielleicht eben auch Fondue Light. Ich will gar nicht wissen, wie diesem Fondue das Fett entzogen wird. Ich habe mal am Fernsehen einen Film übers Fettabsaugen gesehen. Igittigitt. Zum Fondue gehört doch der schwere Magen danach. Wer beim Fondue Angst um seine Linie hat, der möge doch ein richtiges Fondue bestellen und dazu ein Xenical nehmen.

Pardon im Voraus

Danke schon im voraus für all die Sympathien die wir dieses Jahr erhalten werden. Und pardonnez-nous schon im Voraus, falls wir jemanden zu Unrecht auf den Schwanz treten sollten. Klappern gehört zum Handwerk, ein bisschen dick auftragen müssen auch wir. Sonst würde unser Verlag irgendwo zwischen den wenigen, nach Fusionitis und Verkäuferlis - noch bleibenden Grossen, untergehen.

Am 7. Tag sollst du richtig parkieren

Manchmal gehört auch Sonntagsarbeit zum Gernehaben des Salz&Pfefferlandes. Für unseren neuen Verlagsleiter Romeo Brodmann und mich war der zweite Sonntag im Januar zumindest teilweise ein Arbeitstag. Normalerweise bestünden auch grosse Chancen Desirée und damit auch Andy anzutreffen. Aber Desirée bildet sich zur Zeit weiter. Wir stellten ein paar Bürotische um, und unterhielten uns über Einsatzpläne. Mit zu solch entspannenden statt Kirche-gehen Einsätzen gehört natürlich Kaffee und Gipfeli. Den Oetterli-Kaffee aus der hauseigenen Maschine, die Gipfeli mit und ohne Schoggi-Füllung frisch von der 24 Stunden Mövenpick Raststätte. Auf deren Parkplatz wieder einmal die Frage gestellt, wer alles sein Auto auf den für Behinderte reservierten Parkplatz stellt. Nicht dass ich ihn bräuchte, aber einige Wochen Reha-Klinik Zurzach und eine Rollstuhlfahrerin im Freundeskreis, haben mich diesbezüglich sensibilisiert. Wenn Autofahrer purlimunter auf dem Behindertenparkplatz ein- und aussteigen, dann muss es sich bei ihnen um geistig behinderte handeln. Bei Fahrern, die diese Tafel nicht verstehen, würde ein Arzt wohl Anpiktogrammetismus diagnostizieren.

Ins Pfefferland damit

Noelle Delaquis diagnostizierte, dass Connyland und Chateau Lipperswil sei eine "beklemmende Delfingrabstätte". Betreiber Gasser hat ihr deshalb eine Klage angedroht. Hoffentlich klagt er, und ein Richter befindet darüber, ob diese Formulierung für einen Ort zutrifft, an dem innert 18 Monaten 3 Delfine in Gefangenschaft gestorben sind. Auf asms-swiss.ch wird die Fortsetzung dazu bestimmt aufgeschaltet werden.

Geklagt hatte Gasser auch um festzustellen, ob die von den Delfin-Schützern verteilte Postkarte "Conny-Land ins Pfefferland" ehrverletztend sei. Wir wüssten zwar nicht, was wir mit dem Delfinen bei uns sollen, aber wenigstens wären sie mal weg von Lipperswil. Was ist das nur für ein Mann, der Delfine in 25 Meter grossen Becken hält und der Umwelt weismachen will, er habe eine PicoBello Tierhaltung. Ich will nun nicht auf Trantüte spielen, aber will Mensch wirklich gegen Entgelt schauen, wie Delfine auf so engem Raum ihr Dasein fristen. Ist es lässig, in einem Club zu stehen und hinter der Glaswand ein Tier zu begaffen, dem 100 Kilometer Lebensraum im Meer viel lieber wären? Eigentlich müsste jeder Gast vor dem Betreten des Betriebes ein paar Tage in einem 4-Personen Lift verbringen.

Hoffen wir Connyland-Gasser klage und der Richter befinde einmal mehr, Herr Gassser habe keinen Klagegrund. Solche Entscheide sind jeweils Hinweis darauf, wie weit die Spassgesellschaft auf Kosten von anderen Lebewesen profitieren darf. Ich denke da zum Beispiel auch an die Zuchtfischhaltung... So,. färtig mit dem Moralin.

Der Preis steigt um 10%

Der Kaffeepreis steigt um 10% lautete die Schlagzeile. So rein zufällig sollen alle Cafétiers zur Überzeugung gekommen sein, dass eine Erhöhung um 10% grad mal ideal sei.

Das Vorgehen erinnert an einen Fall von Preisaufschlägen im Zusammenhang mit einer Mehrwertsteuererhöhung. Einige Sektionen von GastroSuisse und Cafétiers hatten Preisempfehlungen für Getränke an ihre Mitglieder versandt. Die Wettbewerbskommission in Bern erfuhr davon und eröffnete eine Untersuchung, denn eine so breit abgestützte pauschale Preiserhöhung schmeckt nach kartellistischem Tun. Begründet wurden die Preiserhöhungen mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer, den Lohnerhöhungen und dem Umstand, dass die Preise schon seit vielen Jahren stagniert hätten.

Die WEKO befragte einige der Preiserhöher und kam zum Schluss, es könnte sich nicht nur um eine Preisanpassung, sondern um eine abgesprochene, generelle Preiserhöhung handeln. Preisabsprachen sind nicht erlaubt, am Beispiel der Roche konnte kürzlich nachgelesen werden, wie im Ausland saftige Bussen für solches Verhalten verhängt werden.

Eine Umfrage, ob die Preiserhöhungen wirklich zu unrecht erfolgt seien, ist nicht ganz gratis. Deshalb entschied das Amt, vorerst nur in einem Kanton eine detaillierte Abklärung vorzunehmen. Die GastroSuisse als Vertreterin der bösen Buben und die WEKO trafen sich, und die GastroSuisse versuchte dabei festzustellen, ab wann ihre Empfehlungen als kartellistischen Tun angesehen würde. Natürlich mussten die Abgesandten der GastroSuisse bei diesem Meeting Kreide fressen. Denn die Kosten für eine sonst von Staats wegen zu erstellende, statistisch aussagekräftige Umfrage inklusive Auswertungen, könnten sich zu einem netten Sümmchen aufaddieren. Bei 130 Franken pro Stunde (plus minus mögliche Auf- oder Abschläge) würden sich einige Tausender zusammenläppern, und für staatliche Fotokopien und Nebenkosten wären zusätzlich noch 1.5 % abzuliefern...

Ein Vergleich zur Lösung des Problems

Unter dem Druck des sich anbahnenden finanziellen Ungemachs, willigte die GastroSuisse zu einer einvernehmlichen Lösung ein. Darin wurde festgehalten, dass sie keine Preisempfehlungen, sei es explizit oder implizit, direkt oder indirekt, schriftlich, mündlich oder auf sonst eine Art mehr abgeben würde. Dafür wurde das Verfahren als in gütlicher Weise abgeschrieben bezeichnet und niemand wurde als böser Bube öffentlich an den Pranger gestellt.

Geschäftsleiter Schroeder wagt sich auf Glatteis

Der Cafétier-Verband fand eine interessante Lösung, um seinen Mitgliedern keine Empfehlung abzugeben. An einer Medienkonferenz wurde mitgeteilt, man rechne damit, dass der Preis für eine Tasse Kaffee wegen der neuen Mindestlöhne um 5 - 15% steigen werde... Die Zeitungen übernahmen diese Meldung in Grossaufmachung und Verbandspräsident Gnädinger brauchte kein Rundschreiben mehr an seine Mitglieder zu versenden.

Weniger clever ging die GastroZürich vor. Sie versandte ihren Mitgliedern bereits Ende August ein Rundschreiben in welchem gesagt wurde, man dürfe zwar keine Empfehlungen mehr in Sachen Preise machen, aber sie wollten doch mitteilen, dass mit einer Teuerung von etwas unter 2 % und erhöhten Kosten wegen dem Gesamtarbeitsvertrag zu rechnen sei. Im gleichen Schreiben wurden die Verbandsmitglieder aufgefordert, rechtzeitig Tischsteller zu bestellen mit denen sie ihren Gästen die Preiserhöhung mitteilen könnten.

Ouhhh, ein gefährliches Unterfangen. Falls die WEKO dieses Schreiben als neuerliche Empfehlung betrachtet, könnte das für die Betroffenen happig werden. Das dreifache des mit der Erhöhung erzielten Gewinns oder bis zu 10% des Umsatzes wäre bei einem Verstoss gegen die Abmachung geschuldet.

Weshalb denn immer per 1.1.?

Warum nur sind viele darauf fixiert, die Preise jeweils per 1.1. anzuheben. Klar, Krankenkassenprämien oder eine Mehrwersteuererhöhung mögen eine amtlich gesteuerte Ausnahme bilden, aber Preise entwickeln sich meist fortlaufend übers Jahr hinweg. Lohnerhöhungen finden auch durch Stellenwechsel und nicht nur per 1.1. statt. Weshalb bringt der Verband seinen Mitgliedern nicht bei, die Preise individuell auf die verschiedenen Betriebe bezogen zu berechnen, statt auf die Empfehlung des grossen Häuptlings von der Blumenfeldstrasse zu warten. Mit einer laufenden Planung würde so bereits während des Jahres angepasst. Falls ein Aufschlag nötig ist, so würden wir als Konsumenten diesen lieber in homöopathischen Dosen, statt einem grossen Chlapf entgegennehmen. Nach über 20 Jahren Funktionärsdasein dürfte der Zentralpräsident der GastroSuisse bereits so weit weg von der Realität der betrieblichen Alltags entfernt sein, dass seinem Rat nur mit grösster Vorsicht zu folgen ist. Aber Hoffnung keimt auf. Auf den Rücktritt von Peter Staudenmann hin wird wohl auch das Reglement im Verband geändert. Neu sollen nur noch aktive Berufsleute im Vorstand Einsitz nehmen. Bleibt zu hoffen, dass die geplanten Neuerung nicht von ewiggestrigen wieder abgeblockt wird.