2002 Tabasco 1

Sie sind einfach die grössten

Äxgüsi, ich kann nichts dafür, ich muss mal wieder über die Heftli-Landschaft schreiben.

Es geht um zwei Gratispublikationen, die sich in einem mengenmässigen Kopf an Kopf rennen messen. Der Gastro-Anzeiger glaubt, mit 23'128 WEMF beglaubigter Gratis-Auflage sei er der grösste im Land. Weshalb verschicken die nur soviel Papier franko gratis in die Briefkästen der Wirte? Weil der Inhalt so wichtig ist? Weil viele kompetente Journalisten Artikel in diesem Anzeiger schreiben? Ich glaube nicht. Blättert man durch die speziell dicke, 32-Seitige IGEHO Ausgabe, findet Leser nirgends ein Hinweis, wer diese Texte geschrieben hat. Mit Ausnahme einer Kolumne des einzigen im Impressum aufgeführten Herrn mit einem Namen, haben irgendwelche anonyme Schreiber zu gefüllten Seiten beigetragen. Vielleicht auch Schreiberinnen. Schämen die sich, ihren Namen unter oder über ihre Artikel zu setzen? Im Salz&Pfefferland trägt jede Publikation den oder die Namen der schreibenden, und hiesse er nur Monsieur Tabasco.

Wundersame Vermehrung

Vielleicht handelt es sich ja bei den Texten im Anzeiger auch ganz einfach um eine wundersame Vermehrung von Buchstaben ganz ohne Befruchtung durch den menschlichen Geist? Und niemand weiss, dass in Dällikon schon lange darauf gewartet wird, dass irgendwelche Gläubige es bemerken und zu dieser Stätte der wundersamen Buchstabenvermehrung pilgern. Vor dem Herausgeber Alfred Biefer auf die Knie gehen und dem Wunder huldigen, wie von unbekannter Hand geleitet, Werbetexte in diese Zeitung finden. Die Textmenge im Verhältnis zu dem im Editorial aufgelisteten einzigen Namen in der Redaktion, erinnert fast an ein Heftli aus Bern. Dieses ist schon über zwanzig Jahre länger als der Anzeiger auf dem Markt. Aber auch dort haben die Gläubigen die wundersame Textvermehrung ganz ohne zeichnende Journalisten noch nicht so richtig realisert.

Nicht einmal Mitteilungen in eigener Sache werden im Gastro-Anzeiger von einer Unterschrift begleitet. Zum Beispiel auf Seite 31, der Seite, auf der zahlende Abonnenten gesucht werden. Der Seite, auf der ausgerechnet gleich neben der Suche nach zahlenden Abonnenten ganz gross abgebildet wird, dass sie eine Beglaubigung als Gratis-Auflage hätten...

Unabhängige Fachzeituung?

Beim Anzeiger handle es sich um eine "unabhängige Fachzeitung". Fragt sich, wer in dieser Zeitung eine unabhängige Meinung bringt. Bei Salz&Technik bestätigt das Zertifikat QFZ, dass es sich um eine Fachzeitschrift handelt. Wie steht es mit dem unabhängigen fachlichen Inhalt beim Anzeiger? Schaut man etwas genauer hin gelangt der Leser zur Überzeugung, es seien Marketingleute, PR-Tanten und -Onkel oder auch gleich die im 'Artikel' beschriebenen Unternehmen selber, die einen Beitrag über ihre Firma in der "unabhängigen Fachzeitung" schreiben durften.

Eigentlicher Zweck: Adressenhandel

Für die herausgebende Firma Gastro-Media GmbH hat der Gastro-Anzeiger einen netten Nebenzweck, oder ist dies gar der Hauptzweck? Mit dem Versand der GratisPostille wird geprüft, welche Adressen von welchen Wirten geändert haben. Denn die herausgebende Gastro-Media GmbH handelt mit Adressen. Mit dem Versand des Gastro-Anzeigers wird sie so durch die Post laufend über alle Änderungen im Gastgewerbe informiert. So wirbt die Gastro-Media auch ganz offiziell damit, dass sie dank dieses Gratis-Anzeigers eine aktuelle Datenbank besitzt. Alle Retouren würden telefonisch überarbeitet. Die Adressen von zur Zeit geschlossenen Betrieben werden gesperrt. Bei Wirtewechseln wird der neue Name eingetragen, Neueröffnungen würden regelmässig erfasst. Geschickte Überlegung, Schapoo. Bei einigen Inserenten mit dem Hinweis auf die Riesenauflage Inserate baggern, die PR-Texte von nirgends genannten Schreibern getextet erhalten, zig-Tausend Briefkästen mit dieser Werbepost verstopfen und schlussendlich als Adressenhändler Geld verdienen.

Inserenten glauben zwar, sie investierten ihr Werbegeld für ihr Produkt. Hier schreibt die Herausgeberin gleich selbst, dass die Inserenten einen Beitrag zur Pflege einer Adresskartei leisten. Steht in deren Mediadaten, Sinn und Zweck des Gastro-Anzeigers sei das laufende a-jour-halten der Adressen der Gastro-Media GmbH?

Wo ist der IGEHO Stand zum ersten

Als Nummer 1 im Gastgewerbe wird dieser Anzeiger sicher auch die Nähe zu seinen Kunden und Lesern suchen. Mit seinen Inserenten an der IGEHO mitfiebern und mitleiden. Morgens an den Stand stehen, zwischendurch bei Hiestand oder Delifrance ein Gipfeli holen, und abends mit schmerzenden Füssen und schweren Beinen noch eine Nacht mit "scho lang nüme gseh" durchzechen um am nächsten Tag wieder strahlend am Stand zu stehen.

Aber wo nur ist der Stand der Nummer 1 im Gastgewerbe. Man nehme den IGEHO-Katalog und schaue im alphabetischen Verzeichnis nach:

- GAM
- Gänderndorfer
- Garp
- Gastro Job
- etc. ...
Entweder beherrscht die IGEHO das Alphabet nicht, oder der Gastro-Anzeiger hat keinen Stand. Nicht gerade eine enge Verbindung, die die Nr. 1 im Gastgewerbe mit der von ihr bearbeiteten Branche pflegt. Liest man jedoch die 'Artikel', so müsste doch ein Stand von denen vorhanden sein.

Auf Seite 9 steht nämlich am Schluss eines 'Artikels': "Wir freuen uns auf ein persönliches Gespräch." Am genannten Stand ist kein Hinweis auf den Gastro-Anzeiger zu finden. Wer ist denn in dieser Zeitung gemeint, wenn in einer nach aussen hin als redaktionellen Beitrag erscheinenden Seite das Wort "wir" gedruckt wird? Mit "wir" kann auf Seite 9 keine Vertretung des Anzeigers gemeint sein. Am genannten Stand ist kein Gespräch über und mit dem Exponenten des Gastro-Anzeigers möglich. An jenem Stand verleihen sie Flügel. Da wurde ein Werbetext Eins-zu-Eins übernommen. Die waren zu faul um ihn so weit zu überarbeiten, dass er als Artikel in der Zeitung richtig daher kommt!

Aber wir geben nicht auf, irgendwo muss die Nummer 1 doch an der IGEHO zu finden sein. Vielleicht helfen die Zeilen auf Seite 14 weiter. Dort steht in einem 'Artikel' der Satz "Wir freuen uns auf Ihren Besuch". Aber wieder Fehlanzeige. In den Backöfen an jenem Stand sitzt kein schwitzender Repräsentant der Nummer 1.

Versuchen wir es mit Seite 26. Dort steht in einem 'Artikel' ein sehr einladendes "Besuchen Sie uns an der IGEHO in der Halle 2.0, Stand B21". In der Halle 2.0 ist auch der Stand des Salz&Pfefferlandes. Also ist die Nummer 1 ganz in der Nähe und wir haben in der falschen Halle gesucht? Leider wieder Fehlanzeige. Der Gastro-Anzeiger ist nicht wertvoll genug, um in einem Tresor aufbewahrt zu werden.

Wir bleiben dran und blättern weiter zu Seite 27. Dort wird in einem 'Artikel' mitgeteilt "An der IGEHO Halle 01 Stand D25 zeigen wir es Ihnen". Das tönt ja sehr verlockend. Aber Frust total, auch hier findet sich kein Stand mit der Zeitung. An jenem Ort wird frittiert. Kein Ort, an dem sich Adressenhändler gerne aufhalten.

Das nach eigenen Angaben "stärkste Fachblatt in der Gastronomie" ist in Sachen eigenem Stand an der IGEHO ziemlich schwach. Lauter Reklametexte, die nicht einmal als solche deklariert wurden. Texte, die mit der Kopier- und Einfüge-Funktion zu einer Zeitung zusammengepappt wurden.

Eine Hoffnung auf bessere Zeiten bleibt jedoch. Die Firma vertreibt noch ein anderes Produkt. Es heisst Regeho Cards. Auch bei jenem Produkt wird damit geworben, dass sie eine äusserst gute Datenbank hätten und sehr gut über die gastgewerblichen Adressen Bescheid wüssten. Bleibt zu hoffen, dass jenes Business so gut läuft, dass der Gratis-Anzeiger als Adressenlieferant nicht mehr herhalten muss. Ist Gastgewerbler (die Gastronomie wird anscheinend von deren Adressensammelwut verschont) nämlich einmal in den Fängen dieser Datenbank, muss er sofort seinen Briefkasten ausbauen. Mal bedient ihn die Gastro-Media mit dem Gratis-Anzeiger, mal mit den Regeho-Cards. Und da die Adressen auch noch an Dritte verkauft werden ist klar, dass noch weitere Werbe-Post folgenden wird. Die massive Verteilung von Papier hat auch ihre guten Seiten: Die Post macht gute Portoumsätze, die Altpapier sammelnden Pfadfinder haben ein geregeltes Einkommen.

Wo ist der IGEHO-Stand zum zweiten

Aber weshalb reagiert René Frech nicht? Weshalb schreibt er nicht im Editorial, er sei doch grösser als die Nummer 1 und somit eben nicht die Nummer zwei (womit nicht gesagt werden will, es sei die Nummer Null weil die ja vor der Nummer eins kommt...). Er lässt mit seiner Gratisauflage von 25'454 Exemplaren einige Hefte mehr als der Gastro-Anzeiger drucken. Das wäre doch ein Thema an der IGEHO. Macht er nun, nachdem er diese Zahl früher gross in seiner Kombination von Vereinsblatt und Heft kundtat, auf Schweizerisches Understatement? Finden wir es heraus! Machen wir uns auf die Suche nach dem Stand, an dem er sein Heftli anpreist. Wir schlagen nach im alphabetischen Verzeichnis des IGEHO Kataloges:

- Gösser
- Gourmet Dips
- Gourmet Whip
- Gourmetmobil
- etc. ...
Also entweder beherrscht der IGEHO-Katalog das Alphabet wirklich nicht, oder der wirklich grösste Gratisverteiler hat keinen Stand gemietet. Nicht gerade eine enge Verbindung die die wirkliche Nr. 1 der beglaubigten Gratisauflagen im Gastgewerbe mit der der Branche pflegt. Nicht gerade solidarisch. Während seine Kunden die Füsse in den Boden stehen, geniesst René Frech das Leben. Er spart sich ein paar Tausend Franken Standkosten und verpasst es, die Freuden und Leiden hautnah und zum Teil selbst mitzuerleben. Statt im gleichen Boot wie seine Kunden zu sitzen, spielt er den grossen Verleger der mal als Besucher, mal als Inserate- und Artikeljäger an die IGEHO kommt.

Eigentlich schon immer so gewesen

Das ganze erinnert fast an die Zeiten vor der Gründung des Salz&Pfefferlandes. Die Branche wird von irgendwelchen Verlagen, deren Exponenten nie je den Stallgeruch des Frittieröls nach einem Abendservice unter der Dusche loswerden mussten, in zig-tausender Auflage mit Gratis-PR eingedeckt. Und das schlimme daran ist, die Lieferanten der Branche finden das anscheinend gut so. Oder noch schlimmer, sie machen sich keine Gedanken darüber, ob das wirklich gut so sei. Sonst würden sie ja kaum in solchen Blättern inserieren. Denn eigentlich müssten sie ein Interesse daran haben, dass ihre Kunden dank informativen Beiträgen in Fachzeitschriften erfolgreiche Unternehmer werden oder bleiben.

Zum Beispiel hier in diesem Salz&Technik (Achtung, Warnung an die Lesenden: jetzt kommt ein Werbespot für unser Heft). Da schreibt Sikander einen Beitrag über ein buchhalterisches Thema. Sikander ist einige Jahre zur Schule gegangen, zwar nicht in eine Hotelfachschule, aber er hat einen Abschluss als Eidg. dipl. Buchhalter hingelegt. Seit Jahren amtet er als Experte für Buchhalter und Controller Prüfungen. Wenn Sikander einige Zeilen zum Thema Zahlen abliefert, dann dürften die mit gutem Gewissen bei der QFZ als Beispiel eingereicht werden, dass Salz&Technik zurecht dieses Zertifikat erwähnen darf. Kein Lieferant hat uns um diese Zeilen gebeten, aber bestimmt erhalten die Lesenden einen Nutzen daraus. Unternehmer, Geschäftsführer oder auch Buchhalter werden diesen Artikel lesen, weil da nicht irgendwelche PR, sondern wirklich eine Information drin steht. Und die Inserenten profitieren davon, dass Salz&Technik gelesen wird.

Wer aber ist wirklich die mengenmässige Nummer eins?

Das Swiss Gastro Kombi ist die auflagenstärkste Zeitschrift der Branche. Im Impressum wird eine beglaubigte Auflage von über 40'000 Exemplaren genannt. Also ist ein Magazin aus dem Gewerkschaftsverlag das grösste im Land.

Viele Unternehmer zahlen dem Verlag der Gewerkschaft viel Geld. Mit diesem Geld der Unternehmer finanziert die Gewerkschaft unter anderem das Journal mit der grössten Auflage, oder auch einen Internetauftritt unter www.gastroline.ch. Es wird Zeit, mal eine abstruse Möglichkeit zusammenzuspintisieren:

Weil die Gewerkschaft eine Mindestlohnerhöhung fordert, stöhnen einige dieser geldgebenden Unternehmer. Denn deren Kunden machen einen Investitionsstop und schauen zuerst, ob sie sich nach den Lohnerhöhungen noch weitere Investitionen leisten könnten. Und sie beklagen sich, dass die Gewerkschaft solche Forderungen dank ihren Auftritten mit den hauseigenen Medien-Titeln Food&Beverage, Expresso oder eben auch Gastro-Kombi dem Publikum bekannt machen könne....

Falls diese Spintisiererei stimmt, dann trägt der Unternehmer mit seinem Inserat in einem Gewerkschaftsheftli schlussendlich selbst zu seinem reduzierten Umsatz bei. Aber das ist nur so eine Spekulation am 13. Januar 2002 um 23 Uhr 16 mit einem Glas Wein neben der Tastatur.

Hat die Schweiz überhaupt 40'000 Adressen die ein solches Heftli interessieren könnten? Romeo Brodmann ist seit Anfang Januar wieder im Salz&Pfefferland. Von ihm erfährt man, dass im Betrieb in dem er vorher gearbeitet hat, jeweils gleich vier von René Frech's 25'454 Heftli im Briefkasten steckten. In wievielfacher Ausführung werden wohl die Texte des Gastro-Kombis an die gleiche Adresse geliefert? Und kann die selbsternannte Nummer 1 diesen Wert übertrumpfen?

Inputs zur Ermittlung der Nummer 1 in Sachen Mehrfachzustellung werden dankend entgegengenommen unter

tabasco@salz-pfeffer.ch