1995 Olivenbaum

Restaurant Olivenbaum

Wer ein Frauenvereins-Lokal mit Vorurteilen anschaut, geht am Olivenbaum vorbei. Wer einen Baum sucht, geht ebenfalls daran vorbei. Wer glaubt, in einem so modernen Bau müsse sich ein Internet-Café befinden, irrt sich. Wer jedoch ein architektonisch gut zum Bahnhof Stadelhofen passendes, modernes Restaurant sucht, geht hinein. Auch wer mediteran, jedoch alkohlfrei essen möchte, wird sich wohl fühlen. Zum Beispiel im ersten Stock auf der Terrasse, wo sich mit Blick auf die Gleise und die nach Winterthur-Seen fahrenden Züge das Fernweh nach Olivenhainen am Mittelmeer einstellen kann. Fernweh nach einem Ort, an dem der Nachbartisch nicht während dem Mittagessens per Natel den Mietvertrag für sein neues Büro besprechen muss.
Frauenvereins-Lokale wie dieses, ziehen heute nicht nur ein kostenbewusstes, sondern auch ein junges, trendiges, gesundheits- und figurbewusstes Publikum an. Ästheten, die sich sowohl an der optischen Präsentation, als auch der eigenen unverformt bleibenden Figur freuen. Ausserdem endlich ein Lokal, das eine breite Palette von alkoholfreien Bieren anbietet. Neben den bei uns üblichen Clausthaler und Schlossgold z.B. auch Leermond und - das freut die Italien- und Frankreichreisenden - auch Tourtel. So erfährt man, dass alkoholfreie Biere mehr als nur eine Geschmacksrichtung kennen. Auch eine Auswahl von alkoholfreien kalifornischen Weinen wird geboten. Was ein richtiger Tester sein will, der muss durch alles durch. Also her mit einem 2-er Weissen. Der Name des Weins: Ariél. Serviert mit Eis und Zitrone, schmeckte er etwa so wie Apfelwein oder wie ein Erfrischungsgetränk aus dem arabischen Raum. Assoziationen zu Clementine's Waschmittel sind jedenfalls fehl am Platz. Ein Kontrastprogramm zum nicht ganz so reinen Wein bietet das narturreine Saft-Buffet im Parterre. Aus wirklich frisch gepressten Orangen, Mangos, Kiwis werden dort Sommer-Drinks gemixt. Etwas irritierend für den Nicht-Stammgast im Parterre ist der Mix zwischen Food-Selbstbedienung und Getränke werden doch serviert. Vielleicht ist dies das Kalkulationsgeheimnis, weshalb Essen an dieser Lage zu sehr moderaten Preisen möglich ist. Zum Beispiel Frühstück für 5 Franken, Käsekuchen und Pizzas für Fr. 8.50, Antipasti Buffet für Fr. 15.-. Im etwas zu kühl aufbewahrten griechischen Salat fanden sich insgesamt 13 Oliven. Wo geht denn der Knigge mit all den Steinen hin? Sollte aus jedem dieser Steine ein neuer Olivenbaum wachsen, dann dürfte McDonalds-Grösse wohl bald erreicht sein.