2002 Buffet 6

Nichts für Deutschlehrer

«Geholten Stühle». Liebe Korrektoren die diesen Text bis zur Maschine weiterbegleiten. Bitte korrigiert ihn nicht. Es heisst nicht «Die geholten Stühle» auch wenn euch Euer Grammatikprofessor unter Androhung von Handabhacken solches verboten hat. Gerhard Meister und Andres Lutz wollen das so. Die beiden sind die Macher und gleichzeitig selbst auf der Bühne auftretende. Eine Art Cabaret. Oder ist es Theater. Oder einfach ein Lachmuskeltraining und die beiden sind die Fitnesstrainer? Ihr aktuelles Stück «Watching God» ist eine Ansammlung von Dada, Nonsense und Skurilitäten wie sie vielleicht in Absurdistan zum Alltag gehören. Dazwischen eingestreut immer wieder mit dem Ernst des Lebens verbundene Kleinigkeiten. Während zweier Stunden im Theater sitzen und ein Dauergrinsen auf dem Gesicht behalten ist, was «Geholten Stühle» vom Zuschauer fitnessmässig abverlangen. Und immer bereit sein, laut herauszulachen. Eine Tour durch alles was das Leben bietet ohne eine eigentliche, durchgehende Story. Von der Kartoffelkrankheit zum Nachrichtensprecher, vom Altar bis zur Hasen-Eier Suppe. Fliehende Schweizer am Flughafen und plötzlich noch eine Menge Tischtennisbälle. Salz&Pfeffer-Leser spitzen spätestens beim delikaten Seepferdchen-Menu die Ohren. Wer sich unter all dem nichts vorstellen kann, macht nichts. Hingehen und sich auf einen lustigen Abend einrichten. Und wer sich etwas darunter vorstellen kann, geht ohnehin.

Cava oder Caviar?

Vor einem Jahr berichteten wir über die Probleme und Sorgen in Sachen Caviar aus Russland, Kasachstan und Iran. Wurden vor wenigen Jahren noch über 200 Tonnen Caviar aus dem Kaspischen Meer verkauft, sind es heute noch (legale) 140 Tonnen. Wo genügend Geld vorhanden ist oder lockt, wird geforscht. Franzosen, Italiener oder auch Spanier erinnern sich daran, vor circa 50 Jahren den in ihren Gewässern lebenden Stör ausgerottet zu haben. Bei der Preisentwicklung der letzten Jahre ein Grund, über eine Wiederansiedlung nachzudenken. In der Region Aquitaine war das Problem, dass der Stör nach ein bis zwei Jahren im Süsswasser Richtung Salzwasser und Meer entschwand. Das gaat natüürli nööd, wie soll den der Fischfarmer zu den Eiern kommen. Deshalb wurde mit sibirischem Stör, der ausschliesslich in Süsswasser lebt, weiter probiert. Preislich liegt das Französische Resultat im Rahmen des Sevruga Kaviars.

Auch den Spaniern ist nun nach Caviar statt Cava. Sie züchten mit den letzten in Italien gefundenen Störarten. Mit biologischer Ernährung wird hier an einem neuen Exportprodukt gewerkt. Noch haftet dem Zucht-Caviar ein gewisser Makel an, deshalb sind die Preise dafür auch etwas tiefer als für Caviar vom wildlebenden Tier. Aber stolz und nicht gerade für den täglichen Bedarf sind sie allemal. So ein Fisch braucht seine Jährchen, bis die ersten Eier den Return of Investment einleiten.

Pflanzlicher Caviar

Einiges günstiger ist Caviar aus Seetang. Dem dänischen Biologen Jens Mæller ist die Fabrikation von kleinen Kügelchen aus Seetang gelungen. Cholesterinfreier, vegetarischer Caviar. Das Ding nennt sich Cavi-Art und kostet im Vergleich zum Original drei mal nichts oder vielleicht ein Prozent davon. Gefärbt werden muss er nicht, deshalb eignet sich diese Variante auch gut zur Dekoration.

Fragt sich allerdings, welche Art von Vegetarier Caviar essen wollen. Scheint ein Entwöhnungsprodukt für jene zu sein, die eigentlich nichts tierisches mehr essen wollen, aber den Speiseplan weiterhin klassisch auf Fleisch- und Fischküche aufbauen. «Es muss nicht immer Kaviar sein» liess Simmel seinen Romanhelden sagen. War der Vegetarier?

Fish'n'chips als Alternative?

Weil einige Stars und Retorten-Sternchen beim Fish'n'chips Verzehr gesichtet wurden, vermutet die Sunday Times einen neuen Trend. “Why fish’n’chips is the new caviar” soll die Sunday Times gemäss www.wahnsinnzz.com daraufhin verkündet haben.

Zum Dessert sei den schönen und reichen Sternchen eine Reise nach New York empfohlen. Ein Abstecher hinab in den Zipfel von Manhattan. Mitten ins Village. Alles nur für einen süssen Klumpen bei dem die Zähne kleben bleiben und die Hüfte sich mit jedem Bissen verbreitert, als würde oben mit einem Velopumpe reingeblasen. Eine Sünde die ein Jahr Fitnessclub nach sich zieht. Der Ursprung aller Diäten kostet $ 2.25 und nennt sich Deep Fried Mars Bar und ist wohl die unvorstellbarste Vorstellung von einem Dessert. Kaufen tut man dies in einem Fish and Chips Shop namens «A Salt & Battery».

War das gestern oder ist das heute

Ein Foto jugendlicher Nuggiträger, Stroboskobblitze mit Sound im Hintergrund, psychedelische Farbenspielereien eines Bildschirmschoners. Alles so wie es sich heute gehört. Zu sehen im Migros Museum für Gegenwartskunst. Alles klar, ausser.... das ist gar nicht von heute. Die Ausstellung heisst St. Petrischnee und dauert noch bis zum 11. August.

Zu sehen sind Bilder aus der Otto-Mühl Kommune. Eben diejenigen, die vor 30 Jahren mit Nuggi tragenden jugendlichen und den vielen nackten Mädchen, Jungen und Kindern darauf grosses Aufsehen erregten.

An der Vernissage auch anwesend war unter anderem ein 80-jähriges Manndli das heute auf der Strasse kaum mehr beachtet würde. Gustav Metzger, der Erfinder der Liquid Cristals. Jene Lichtspielerei, die 1966 bei einem Konzert von The Who deren psychedelisches Bühnenbild lieferte und die heute jedem Chill-out Room gut anstehen würde. Kein Compi-Zeugs, sondern Kunsthandwerk.

Eine Ausstellung mit Fotos und Installationen die wirken, als hätten sie erst heute Premiere. Dabei entstand der kaleidoskopartige Spiegelraum von Yayoi Kusama bereits in 1969/70, der Sound in der Installation von Chaimowiczs stammt von den Stones und David Bowie. Tönt als wär's von heute, aber eben, das täuscht. Bowie war schon damals mit teilweise ähnlichem Sound wie heute präsent.
Eine Ausstellung für 68-er und spät-68-er zum schwelgen, eine Ausstellung für jüngere, auf dass sie sehen, wie modern eigentlich ihre Eltern schon waren.