2001 Kolumnen 3

Amtl.bew. Terrassen?

Es scheint fast als ob Zürichs Beamte eine Neuauflage der Marroni-Hüüsli Geschichte vorbereiten. Für alle Nichtzürcher: Im Hinblick auf ein ordentliches, einheitliches, normiertes, von keinerlei Unvorhergesehenem gestörten Stadtbild sowie zur Klärung aller eventuell sich entwickelnden Unklarheiten in Sachen wie ein Marroni-Verkäufer-Unterstand aussehen könnte, wurde 1988 ein amtlich bewilligtes Marroni-Hüüsli durch Architekt Andreas Adam geschaffen und den Zürcher Bürgern durch die Stadträte Ursula Koch und Hans Frick verordnet. Jeder Marroni-Stand hatte zukünftig im inzwischen vertrauten grün daherzukommen und daherzustehen.

Nun scheinen Bestrebungen im Gang, den Terrassen auf öffentlichem Grund in ähnlicher Weise zu Leibe zu rücken. Das ganze im Sinne der im März 2000 erschienenen Brochure "Für mehr Lebensqualität in Zürich: Die Boulevardcafés". Übersichtlich sollen sie sein und durchlässig. Auch einfach zu durchqueren sollen sie sein, mit Sonnenschirmen, die maximal 2 Meter Durchmesser aufweisen. Dschungel sind nicht Sinn und Zweck der Begrünung und bitte keine Sichthindernisse über 80cm Höhe. Bitte keine Trutzburgen aus Ton- oder Betonkisten mit Palmen und Büschen. Politically correct bleibt da wohl nur noch der Eternitkübel mit Geranium. Wie nicht nur klinisch sauber sondern rein die Stadt dann aussieht, ist in der Brochure mehrfach abgebildet. Ist es Zufall, dass einige der fotografierten Boulevardcafés mit gähnender Leere glänzen? Wo kommen wir denn hin, wenn auf einem Terrassengelände das die Stadt für teures Geld vermietet, so fremdländisches Züügs wie Palmen stünden? Ein Gast, der solches sucht soll dafür gefälligst am Gotthard anstehen, das genormte Zürich ist auf solche Gäste nicht angewiesen. Mit Spannung warten wir auf die Reaktion unserer Beamten, wenn dank Klimaerwärmung die Palmen in Zürich plötzlich ganz natürlich spriessen. Schon auf einer Aufnahme des Zwingli-Denkmals von 1905 finden sich Palmen abgebildet. Weshalb gönnen uns die in der Brochure lächelnden Stadträtinnen K.M. und E.M. nicht solch anscheinend ganz urzwinglianisches Gewächs. Eigentlich fehlt als Vorschrift nur noch, dass ausschliesslich die ach so praktischen Plastikstühle zum Einsatz kommen dürfen. Sicher darf Freddy Müller dann nie mehr alte Kinostühle verwenden. Hölzerne, numerierte Kinostühle sind doch nichts für die Terrasse sondern eben fürs Kino. Und das natürlich auch in Zeiten, in denen Kinos Polstersessel verwenden. Wo kämen wir sonst hin auf der Suche nach mehr Lebensqualität in Zürich?

Böse Journalisten, falsche Gesetze?

Franz Riklin in des Richters Ohr! Der Presserecht-Spezialist und Strafrechtsprofessor sprach am Kriminologie Kongress in Interlaken zum Thema Medien und Strafrecht. Ein Thema für die bösen Schreiber aus dem Salz&Pfefferland? Bundesrichter, Blick-Reporter, Studenten und Rechtsgelehrte hörten zu.

Professor Riklins Vortrag war ein Lichtblick in Sachen Pressefreiheit. Von der Bühne aus tat der ehemalige SF-DRS Rechtsmensch den Bundesrichtern kund, was er von deren Urteilen hält, z.B. demjenigen vom letzten Dezember über Jagmetti's Diplomatenpost oder den Vierhundertachtzigtausend Franken, die der Kassensturz wegen des (Nicht-) Beitrages in Sachen Contra-Schmerz bezahlen musste. Er erklärte den Anwesenden, in welcher Unsicherheit Journalisten wegen solchen Rechtshändeln arbeiten. Die Angst gegen ein Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG), Amtsgeheimnis- oder Ehrverletzung zu verstossen, lässt die Presse-Macher häufig schon im Kopf zur Vorzensur ansetzen.

Ziemlich klar kam zu Ausdruck, dass die diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden Gesetze nicht gerade zu den krönendsten Leistungen unserer - zur Zeit grad im Tessin sich sonnenden - Parlamentariern gehören. Bundesrichter Schubarth konnte darauf lediglich erwidern, dass die Richter halt die Gesetze anwenden müssten. So hoffen wir auf eine verbesserte Gesetzgebung. Kurzfristig wäre es allerdings angenehm, die Richter würden sich der von Professor Riklin vertretenen Lehre anschliessen. Die im Korsett eingeschnürte Freiheit der Schreiberzunft könnte etwas gelöst werden, speziell wenn es um die Beschreibung von Essen, Trinken & Geniessen geht.

Verängstigt von Ehrverletzungs- und UWG-Klagen dürften wir nie mehr die erlahmten Pommes-Frites eines einzelnen Bratwurst-Standes beschreiben ohne gleichzeitig auch diejenigen von tausend anderen zu testen und zu loben. Nicht einmal ein vor der Äusserung eingeholtes Rechtsgutachten schützt vor juristischem Ungemach. Kabarettist Lorenz Keiser stritt sich deshalb jahrelang mit einem Tessiner Nationalrat und Bankpräsidenten über Ausführungen in seinem Stück "Der Erreger". Dort stritten sie nicht um steife Pommes-Frites sondern um Geldwäsche. Sein Fazit: Am besten lässt man vorher gar nix mehr prüfen! Dass die Unabhängige Beschwerde-Instanz (UBI) seine und Viktor Giaccobos Ausführungen dazu auch noch verurteilte, macht die ganze Geschichte noch viel sympathischer. Ein jeder für solches Tun gemassregelte gilt erst recht als bestandener Vertreter einer freien Meinung. Eine Art Adelsprädikat, etwa so wie ein mit einem Schmiss verzierter Student.

In einem anderen Fall wurde ein Ingenieur Hertel wegen seiner kritischen Äusserungen über Mikrowellen-Herde bundesrichterlich verurteilt. Eine Instanz höher befanden andere Richter, dass unser Bundesgericht das Urteil überarbeiten müsse. Inzwischen wurde er trotzdem erneut verurteilt. Bleibt zu hoffen, dass auch diesmal die Hüter über die Menschenrechtskonvention zeigen, dass es mit der Freiheit in unserem Lande besser steht als das Bundesgericht mit solchen Urteilen glauben macht. Sonst dürfte niemand sich ohne 100%-ige wissenschaftliche und statische Sicherheit noch öffentlich fragen, ob denn z.B. Handy-Strahlen gesundheitsschädigend seien.

Nicht nur bei der Sonntags-Zeitung oder dem Kassensturz, sondern mit einer gewissen Beständigkeit auch in der Erfolgsrechnung des Pfefferlandes ist ein Aufwands-Betrag für Juristisches enthalten. Mal spenden wir dem Frieden zuliebe an ein Museum, mal leisten wir einen Beitrag an die Unkosten der Anwaltskanzlei eines Verbandes, mal haben wir einfach Spesen und Umtriebe weil ein Kläger im Südtessin auf italienisches Schriftgut beharrt, obwohl er ein deutsch geschriebenes Salz&Pfeffer Heft einklagt. Liebe Richter die ihr im Namen des Volkes urteilt, wir danken für die Einladung, euch bei hoffentlich frühlingshaftem Aprilwetter im Mendrisiotto besuchen zu dürfen.

Ach ja, und manchmal leisten liebe Leser Beiträge weit über die Abo-Zahlung hinaus zu Gunsten unseres juristischen Aufwandes. Dies verbunden mit dem Wunsch, dass wir auch weiterhin unsere Meinung über Funktionäre und anderes vertreten täten. Danke.

Stadtliche Probleme

Exekutivmitglieder in Zürich haben einen schweren Job. Und sobald sie sich mit Bauen beschäftigen manchmal sogar einen äusserst risiko- und fehlerbehafteten. 11 Millionen betrage das Baukostenproblem von Präsident Estermann. Und auch Dr. med / Dr. iur. Wagner hat so seine Sorgen mit Immobilienfragen. Im Verlaufe des letzten Jahres war im Zusammenhang mit den Veränderungen des Kunsthauses Zürich dann und wann was in der Zeitung zu lesen. Kaum waren die Probleme mit der Besetzung des Direktoriums gelöst, war auch über die Neuvermietung der Restauration zu entscheiden. Klotzen nicht kleckern war angesagt. Wenn schon ein Budget von über 50 Millionen verplant wird, kann auch für gutes Geld beim kompetenten Diplomierten Hôtelier Ausbildner Martin Volkart eine Studie in Auftrag gegeben werden. Einige suchten darin nach einer nicht vorhandenen Zeile mit dem Ausdruck Gewinn für die zukünftigen Betreiber. Die Restaurant-Ausschreibung drohte mit ähnlichen Indiskretionen wie schon die Museums-Direktoren-Wahl zur öffentlichen Belustigung zu verkommen. Als der neue Pächter erkürt wurde, brachte es die Stadt Zürich, Eigentümerin von einigen Restaurant-Immobilien - dieselbe Stadt, die an der Strassburgstrasse über eine Immobilienverwaltung verfügt - nicht fertig, der bisherigen Pächterin auf dem gesetzlich vorgeschriebenem Formular zu kündigen. So wurde vor Gericht eine Verhandlung mit Gastrolease-Feldschlösschen als Mieterin einerseits und der Vermieterin andererseits traktandiert. Leider kam es nicht zur öffentlichen Verhandlung, es scheint als hätte Dr. Dr. Wagner sein etwas weniger als 11 Millionen umfassendes Problem rechtzeitig mit einem aussergerichtlichen Vergleich gelöst.
Unbekannt bleibt, zu welchen Konditionen der Vertrag vergeben wurde. Die Ausschreibung wurde öffentlich durchgeführt, die neue Pächterin ist bekannt, der Rest ist Schweigen. Dabei täte es den mit teurem Hilfspersonal indirekt zur Kasse gebetenen Stimmbürger wundern, welch Supervertrag nach solch grossem Aufwand abgeschlossen werden konnte.

Die Natur schlägt zurück

Sojaschrot(t) als Tierfutter, nach Hormonen und anderem ein weiteres Kapitel zum Thema Tierhaltung. Die Schlinge um den Hals der Tierproduktion wird immer enger. Aber.... ein Parlament das von wirtschaftlichen Überlegungen geleitet einen Völkermord an Armeniern nicht verurteilen möchte, wird wohl auch nichts dagegen haben, tausenden von Tieren aus wirtschaftlichen Gründen den Garaus zu machen. Unsere Nachbarn habens vorgeführt. Und so geht der Irrsinn weiter. Zum Beispiel beim Thema Abfallsuppe. In Zeiten wo die Welt noch in Ordnung war, war das Schwein der ideale Verwerter, dem unsere Essensreste als Delikatesse gereicht wurde. Mit zunehmender Industrialisierung entwickelten sich die Resten zur industriell abgekochten Suppe. Nur ist die Nahrungs-Welt heute nicht mehr in Ordnung. Den Rindern darf schon seit einiger Zeit kein Tiermehl mehr verfüttert werden. Da hätte es wohl auch in der dunkelsten Amtsstube dämmern müssen, dass Schweine, die unsere Abfälle erhalten, eben auch unser Rindfleisch essen. Die zum Verzehr gezüchteten Hühner, Fische und Schweine wurden wohl nicht alt genug um zu zeigen, dass auch sie - mit „wertvollem Eiweiss enthaltenden“ Resten gemästet - gelegentlich ihre ganz eigene Art von BSE entwickeln könnten. Und damit der vorgängige Satz nicht als Verstoss gegen das UWG geahndet wird sei hiermit gesagt, dass dies ein rein subjektives Empfinden und Vermuten eines sich ordentlich ernähren wollenden Bürgers ist.

Klingeling - Tütelitüüt

Wie schwierig ist es, ein Handy ruhig zu stellen? Nicht abstellen, die natelisierte Bevölkerung soll ja nicht auf kollektiven Entzug gesetzt werden. Aber einfach ruhigstellen. Zum Beispiel mit der Funktion "Lautlos" oder der Funktion "Vibra-Alarm" mit all ihren netten in der Hose entstehenden Nebenerscheinungen.

Wenn im Vortrags-Saal trotz vorgängiger Handyabstellbitte ein halbes Dutzend Mal Tütelitüütet die Konzentration stört, wird es Zeit für eine Handy-Eignungsprüfung. Einziger Test: Ist der Patient fähig einen Aus-Knopf zu drücken. Damit würde auch anderswo, zum Beispiel beim Mittagessen, etwas Ruhe einkehren. Irgendwo im Untertitel von Salz&Pfeffer steht das Wort geniessen. Aber wie soll ein Essen während einer ruhigen beschaulichen Mittagspause genossen werden, wenn sich - Natelisten sei Dank - das Umfeld zum gehetzten Quicklunch in einer Telefonzelle mit Imbissmöglichkeit entwickelt? Nichts gegen telefonisches Geschnatter und Geflirte in der In-Bar, aber bitteeee ein bisschen Feingefühl. Nicht jeder öffentliche Raum wurde als Telefonzelle vorgesehen. Die Freiheit des Einzelnen hört dort auf, wo sie in die Freiheit des Anderen eingreift. Mit Natelisierern eine unendliche