2001 S+P 10

Gewöhnen wir uns an die Zukunft?

Gentechnologie, WTO und Markt geben den Ton an. Gewöhnen wir uns an die Zukunft! schreibt die Schweizerische Metzgerzeitung. Störfaktoren behindern aus deren Sicht die gesunde Entwicklung des Marktes und wollen die Regeln des Marktes ersticken. Das ist nicht ein Pamphlet eines Genveränderten Zombies, sondern so steht es wirklich in der Metzgerzeitung. Für sie ist die "... die Akzeptanz der Gentechnologie im Produktionssegment der Landwirtschaft" wichtig. Die Metzgerzeitung unterscheidet zwischen zukunftsorientierten Kräften die weder Marktwirklichkeit noch Fortschritt unterdrücken und Behinderern aus dem Ökoflügel. Nichts gegen eine Branchenzeitung, die ihre Meinung kundtut, aber hier schreibt Andreas W. Wöllner etwas gar an der Marktwirklichkeit vorbei. Weshalb wird Bezeichnung GVO irgendwo ganz klein auf die Verpackung geschrieben, weshalb ist den Konsumenten bei Umfragen jeweils wichtig, dass eben keine GVO Lebensmittel erhältlich sein sollen? Weil die Mehrheit der Konsumenten die Marktwirklichkeit unterdrückt und somit zum Ökoflügel zuzurechnen ist? Fragt sich, wer aus Sicht der Metzgerzeitung der Markt ist. Andreas Wöllner glaubt wohl, der Markt seien die Metzger, die den Konsumenten schlussendlich vor ein fait-a-compli stellen. Sobald nur noch Genmais gefütterte, zu Fleischlieferanten degradierte Tiere erhältlich sein werden, müssen die Konsumenten zwangsläufig dieses Fleisch kaufen.

Marktwirklichkeit

So sieht wohl die Marktwirklichkeit aus, die die Metzgerzeitung herbeiführen möchte. Das Gedächtnis von Andreas Wöllner ist vielleicht etwas Genfleischgeschädigt. Er hat wohl vergessen, wie der Markt via Coop und Migros auf die Frage Verfütterung von tierischem Eiweiss via Restensuppe reagierte. Bleibt zu hoffen, dass die Metzger, die die Metzgerzeitung lesen, mit intaktem Gedächtnis selbständig denken. Daran denken, dass gerade sie als Metzger gut daran täten, dem Kunden das Spezielle zu bieten. In Sachen Fleisch heisst das, die Knospen- oder Bio-Labels zu fördern. Im vorfabrizierten Food der uns Konsumenten mit China-Hühnern-Bestandteilen im Convenience Food Menu 1 serviert wird, liegt genügend Elend drin. Bleibt zu hoffen, dass die Metzger nicht im Sinne ihres Organs denken.

Internutrition ist eine Organisation die für eine Pro-Gen-Haltung steht. Auch Internutrition kann noch nicht melden, dass eine Mehrheit der Konsumenten für GVO-Produkte einsteht. Beschwichtigen, Vernüütigen, war schon bei BSE die Devise der Fleischindustriellen. Das Salz&Pfefferland glaubt, dass in Sachen GVO die Genusslobby beim Original bleiben möchte. Auch verantwortungsvolle Küchenchefs haben sich bereits in entsprechenden Vereinigungen zusammen getan. Nicht nur in der Schweiz. Die Eurotoques begrüssen den Vorschlag einer EU-Ökoverordnung. Also liebe Metzger nehmt euch in Acht wenn die Büchse des Konsumenten Kracht.

Demokratieverständnis a la mode du Metzgerzeitung

Obwohl bei Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung keine Zustimmung in Sachen GVO meldet, will die Metzgerlobby ihr Denken in den Markt würgen. So wie die Metzgerzeitung in Sachen GVO den Konsumenten-Entscheid von der Strasse gerne unterwandern möchte, ist ihr auch in Sachen Mutterschaftsversicherung die Volksmeinung nicht allzuwichtig. Seit über 50 Jahren steht in der Bundesverfassung, dass eine gesetzliche Regelung zu Mutterschaftsversicherung gewünscht werde. Bis heute besteht keine solche Regelung. Deshalb versucht der Kanton Genf nun einen Alleingang auf kantonaler Ebene. Liest man die Ausführungen von Andreas Wöllner in der Metzgerzeitung, möchte man ihn am liebsten in einen Staatskundeunterricht schicken. Er hat Verständnis für die Aussage, dass der wiederholte Versuch der Verfassung entsprechend eine Mutterschaftsversicherung einzuführen, eine Schändung der Demokratie sei.

Auf der Suche nach Erschöpfung

Vier Tage Gourmessen reichen dem Salz&Pfeffer Team nicht, um den Erschöpfungszustand zu erreichen. Gleichzeitig eine neue Zeitung gebären hilft, dem ersehnten Zustand näher zu kommen. Gedacht, getan. Das Ding heisst Gourmesse-Zeitung. Keine Angst mehr, es könnte zuviel Zeit zum Schlafen bleiben. Für die Aussteller der Gourmesse wurde eine Tageszeitung produziert. Eine Zeitung mit Stallgeruch, eine Zeitung die nach langem GalaDiner mitten in der Nach bis zum Morgengrauen hinein produziert wurde, um sie kurz darauf mit einem guten Morgen den Lesenden zu übergeben. Eine Zeitung in welcher der Bäcker Kaufmann statt Baumann hiess, eine Zeitung mit den höchsten Tippfehlerraten pro Quadratcentimeter. Ein echtes Produkt von übermüdeten und trotzdem total zufriedenen Streuern. Eine Zeitung, in welcher ganz Salz&Pfefferland das Substantiv hinter dem Dativ herjagte während dessen hintenherum das Plusquamperfekt mit der Vergangenheit ein geheimnisumwittertes Treffen hatte und das Verb den Genitiv mit Präservativ beim Adverb zu Hause betrog. Hat Spass gemacht, nächstes Jahr soll die Übung wiederholt werden. Fragt sich, wie die Streuerfamilie dies den Liebsten zu Hause beibringen soll.

Wilden Mann verloren

Ganz ohne die Gourmesse-Exzesse fanden sich bereits in der Badener Reportage im Salz&Pfeffer 8/01 kleinere Mängel. Wir haben den Wilden Mann verloren. Kein Wort über den Highflyer über den Bädern. Ja, das stimmt, wir entschuldigen uns. Irgendwann, irgendwo in einem Entwurf war er drin. Irgendwie fielen diese Anschläge raus. Wir hätten nicht nur über die guten Noten im roten Büechli geschrieben, sondern auch über die äusserste Pünktlichkeit beim Bier-Ausschenken. Vor siebzehnuhrnullnull gibt’s garantiert nix für trockene Kehlen.

Alle die nicht wissen, was es mit den Kochkünsten des grossen Fabian Pongratz auf sich hat - er kann es centimeterweise bestimmt mit Daniel Humm aufnehmen-, gehen am besten gleich selbst vorbei und schauen rein.

New York etc.

Einige werden sich wundern, weshalb denn Salz&Pfeffer keine Kommentare zum Thema NewYork und die Folgen abgab.

Die Magazine aus dem Gewürzhaus sind jeweils in einer einige Wochen dauernden Produktionspipeline. Was auch immer wir schreiben würden, ist bis zum Zeitpunkt des Eintreffens bei den Lesenden schon total veraltet. Der Sonntags-Blick hatte geglaubt, wir hätten uns in unserem Schwester-Magazin Salz&Technik über die New Yorker Geschehnisse lustig gemacht. Dabei war der Text schon Tage vor dem Ereignis in der Produktion. Das Magazin F&B hat auf dem Cover eine Dame mit Schutzmaske abgebildet. Im Magazin ging es ums Thema Allergisch auf Food... Leider wird in Zeiten von Milzbrand dieses Cover mit ganz anderen Augen angesehen. Einige reagieren äusserst überempfindlich, man getraut sich bald gar nichts mehr. Die Werbung hatte früher auch Sorgen mit Katastrophen, zum Beispiel hatte Audi ihre Werbung mit einer Concorde verziert und auch Uhrenmarken setzten auf den Supervogel. Das kann passieren und ist kein Grund zu überreagierendem Fingerzeigen.

Cincera Neuauflage?

Eines jedoch irritierte in der ganzen Geschichte nach dem 11. September. Seit Bestehen von Salz&Pfeffer haben wir einige Franken in Gerichts- und Anwaltskassen bezahlt, um die Pressefreiheit wie wir sie sehen, auch am Leben zu erhalten. In der NZZ und anderen Zeitungen war nun zu lesen, dass die Amerikaner es nicht so gerne sähen, dass Fernsehstationen Beiträge von Al Jazeera, dem Shooting Star im Satelliten-TV-Nachrichten-Business, live übertragen würden. Ausgerechnet die Amerikaner, die die Meinungsäusserungsfreiheit im eigenen Lande so hoch und heilig halten, möchten gerne einen arabischen TV-Sender an die Kette legen. Ausgerechnet die Amis, die der Meinungsäusserungsfreiheit wegen rechtsextremistische Äusserungen der üblen Sorte auf dem Internet nicht verbieten. Nicht dass wir die einstürzenden Towers und anderes befürworten. Aber müsste Meinungsäusserungsfreiheit nicht für alle gelten?

Auf dem Internet kursierte ein Mail, das mit wenigen Zahlen zeigte, weshalb es unter anderem auf der Welt brodelt. Nicht erst seit dem 11. September. Auf der Welt sind nur 30 von 100 christlichen Glaubens, 14 von 100 Nord und Süd-Amerikaner und nur einer von 100 hätte einen PC. Dagegen hätten 80 keine ausreichenden Wohnverhältnisse und 50 wären unterernährt.

In solch unsicheren Zeiten, lockt der Schritt zum gesetzlich sanktionierten Fichenstaat. Lasst uns den Autor dieser Zeilen in einem Computer registrieren. Mit einem solchen Namen muss er ja auf eine Suspektenliste, lasst uns die Journalisten der WoZ im Kollektiv registrieren, wer für die WoZ schreibt muss ja auf einer Suspektenliste stehen. Lasst uns den Journalisten der NZZ registrieren. Wer im Zusammenhang mit Al Jazeera von Medienfreiheit schreibt, muss ja auf einer Suspektenliste stehen. Bleibt zu hoffen, dass die Volksvertreter in Bern nicht ins Cincera-Zeitalter zurückfallen.

Genuss definieren

Wer einen Maulkorb umgehängt erhält, wird über kurz oder lang auch bei weiteren Themen zurückgebunden. Wie soll denn Salz&Pfeffer schreiben, wo genüsslich, wo weniger genüsslich eingekehrt werden kann, wenn das Korsett noch weiter zugeschnürt würde.

Anlässlich der Gourmesse brauchte es eine kurze Schlussrede. Hierzu suchte ich im Lexikon den Begriff Genuss und musste erschreckendes feststellen: Weder im Fischer Lexikon in Farbe noch auf der Brockhaus-CD finden sich die Wörter Genuss oder geniessen. Genussscheine kennen diese Nachschlagewerke, aber was soll Mensch mit einem Genussschein zwischen den Zähnen? Bei Fischer ist als naheliegendster Begriff noch Genussmittel zu finden: "Stoffe die nicht zur Ernährung des Menschen, sondern zur Steigerung seines Wohlbefindens und zur Anregung dienen, wobei die Wirkung gewöhnlich von Bestandteilen hervorgerufen wird, die (...) in konzentrierter Form Gifte darstellen". Gaht's eigentli no? Genuss und geniessen mögen lexiko(n)ffiziell nicht bestehen, aber während der Gourmesse haben wir gezeigt, dass diese Begriffe sehr wohl bestehen. Tausende von Genuss-Junkies dachten dasselbe. Essen und Trinken und Geniessen steht vorne auf dem Magazin. Über 130 Tausend Lesende sollen gemäss MACH-Umfrage darin lesen. Unsere Winterthurer Genuss-Postille hat mehr Lesende als Vinum, unser Genüsslicher Lifestile findet mehr Lesende als Bolero. Ganz ohne Eintrag im Lexikon.

Fehdehandschuh werfen?

"Sollte der Fehdehandschuh allerdings Ihrerseits nach Aussen geworfen werden, wird sich mein Mandant nicht scheuen, diesen aufzunehmen und die daraus entstehende Auseinandersetzung nach den Regeln der Kunst zu führen." Schreibt Rechtsanwalt Pierre-Marie Waldvogel dem Salz&Pfefferland. Im Glauben, er könnte innerhalb der Aktionäre eine Pressure-Group bilden, wird das Schreiben in Kopie auch gleich noch an Dritte gesandt.

Den Fehdehandschuh? Bei welchem Professor besuchte RA Waldvogel Rechtsgeschichte? Hätte er aufgepasst wüsste er, dass 1495 unter Maximilian I die Fehde mit dem ewigen Reichslandfrieden verboten wurde.

Wie sieht denn ein Fehdehandschuh aus? Böni-Händsche führt keinen im Angebot. Was könnte statt dessen geworfen werden. Ein kratzbürstiger Luffa-Handschuh? Ein Boxhandschuh auf dass wir uns mit seinem Mandaten nach allen Regeln der Kunst im Ring schlagen. Möchte er danach zum Duell auffordern? Bestimmt hat der Herr Rechtsanwalt einen Schmiss. Eine Mensur wie sich die echten Studenten in einer schlagenden Vereinigung eine holen. Sieht er mit dieser Verzierung so furchterregend aus, auf dass wir sofort jeglicher von seinem Mandanten geforderten Satisfaktion nachgeben werden.

Das beste ist wohl, wir kaufen uns einen Opernhandschuh. Diesen streifen wir dann ganz Rita Gilda Hayworth-like erotisch dem Arm entlang ab, auf dass dem vis a vis gar nicht mehr nach Fehde ist.