2002 Tabasco 6

 

Ein Zählrahmen für die Blumenfeldstrasse

Die Gastro-Zürich hat ein Rechenproblem. Ein Fall für die Pisa-Studie?

Über 2300 Mitglieder vertrete sie, wird auf der Homepage mitgeteilt. Wunschdenken. Ende 2000 waren es 2253, Ende 2001 sogar nur noch 2199 Mitglieder. Trotz Zunahme der Anzahl der Gastro-Betriebe erodiert der Mitgliedsbestand. Was machen die denn falsch? Sind die Zürcher Verbandsoberen nicht sexy genug? Vielleicht fehlt der obersten Herrenriege einfach ein Leistungsausweis. Jahr für Jahr mitteilen, man habe die Hypothek auf der Immobilie Blumenfeldstrasse um ein paar weitere Hunderttausend Franken reduziert ist zwar ein nettes Verdienst, aber mehr nicht.

Vor über einem Jahr  wurde sowohl im In(n)sider von Salz&Pfeffer, als auch in dieser Rubrik auf einen bevorstehenden Kahlschlag in Zürich hingewiesen. Sämtliche Pflanzen auf öffentlichem Grund hätten möglichst kurz zu sein, wunderschöne Gärten wie zum Beispiel auf dem Beatenplatz waren dem Tod geweiht. Im Vergleich zu bisher kurzgeschoren wie ein echt Schweizerischer Skinhead. Im Buchsbaum oder noch besser Geraniumlook eben, haben die Pflanzen gemäss den Vorstellungen der Stadträtinnen Maurer und Martelli daherzukommen. Wir nahmen an, dass sich Ernst Bachmann als Präsident im Interesse seiner City- Mitglieder spätestens nach unseren Zeilen der Sache annehmen würde.

Inzwischen ist über ein Jahr verstrichen und die Zürcher Betriebe blicken auf einen ersten kahlen Sommer zurück. Sowohl Gäste wie Gastronomen sind nicht glücklich. Nach einer kleinen Umfrage über Umsatzentwicklungen mit der neuen Begrünung fragte unser Zahlenmensch Sikander deshalb bei Ernst Bachmann an, was er dafür oder dagegen unternommen habe bzw. unternehmen werde. Antwort von ihm selbst: Keine. Dafür sein Sekretär und Geschäftsleiter K.E. Schroeder. Die Gastro-Zürich plant mit dem Cafetierverband und dem Zürcher Hotelierverein bei Stadtpräsident Ledergerber vorstellig zu werden. Ledergerber? Letztes Jahr war doch Estermann Stapi von Zürich. Weshalb reagieren die erst bei Ledergerber?

Ein kompetenter Vertreter?

«Der Wirteverein Zürich vertritt die Wirte/-innen kompetent vor Behörden, Beamten und anderen Interessenorganisationen in Stadt und Agglomeration Zürich.» So teilt der Verein seine Ziele den Beitragszahlern mit. Falls die Anliegen der Wirte so kompetent und zügig behandelt werden, ist mit einer weiteren Reduktion des Mitglied-Bestandes zu rechnen.

Vor den Augen des verantwortlichen Präsidenten wird der Umsatz der Mitglieder durch stiere Gärten vernichtet. Auf dem Weg von Wollishofen nach Zürich-Affoltern müsste dem Zürcher Wirtepräsidenten auffallen, wo nach Vorliegen der im Frühling 2001 verteilten Brochure der Stadt Zürich keine schönen Palmen, Sträucher und kein exotischer Baum mehr stehen könnten. Wie kompetent sind denn Vereinsverantwortliche die nicht wissen, was eine solche Brochure verursachen kann. Die Führungsriege reagierte erst, als Klagen laut wurden und die Angelegenheit politische Dimensionen annahm. Was sind denn das für Männer? Eine noch so nette Eurovisions-Frau könnte wohl ganz privat «Lass ihn bitte stehen» singen. Die Herren der Führungsriege reagieren nicht.

Jetzt wo die Investitionen für die Anpassung an die der Hässlichkeits-Norm getätigt sind, kommt dem Verband in den Sinn, bei der Stadt vorstellig zu werden. Auf dass die Mitglieder bei Erfolg nochmals investieren können, weil die ursprünglichen Pflanzenvielfalt inzwischen nicht mehr vorhanden ist.

Man schaue sich das Foto der preisgekrönten Terrasse vor dem Kunsthaus an und betrachte daneben die heutige Tristesse vor dem Movie oder eben die Kahlheit des Terrasse am Pfauen.

Mögen einige Architekten und Designer eine solche Terrasse in ihrer kompromisslosen Nacktheit erstrebenswert finden, so fragt sich trotzdem, ob Terrasse - für die die Stadt je nach Grösse einige Tausend Franken pro Jahr als Benützungsgebühr des öffentlichen Grundes verlangt -, als Ausstellungsfläche für Landistühle zu dienen habe. Besser wäre wohl, sie entspräche einem Gästebedürfnis nach lauschigem Plätzchen im Sommer.

Die Umverteilung von BVG Beiträgen

Hauptgrund beim Wirteverband zu bleiben oder beizutreten ist für viele die Abrechnung der Sozialleistungen. Im Geschäftsbericht des Wirteverbandes liest sich das so: Die Anzahl der angeschlossenen Betriebe konnte um 202 auf 17 671 erhöht werden. Trotz sinkenden Mitgliedszahlen steigt die Anzahl der versicherten Betriebe. Warum nur? Wohl weil die BVG Einheitsprämie nach L-GAV bei einer normalen Versicherung fast nicht versicherbar ist. Aktuell auch der L-GAV zementierten höheren Mindestzinssätze wegen.

Die AHV auf dem Leistungsprimat, das BVG auf dem Beitragsprimat basierend, das war die Idee bei der Einführung des BVG. Mit einem Einheitssatz für alle dem L-GAV unterstehenden Mitarbeiter, wurde jedoch aus dem BVG der Wirtebranche eine AHV Nummer zwei. Aber eben, andere Kassen haben keine Lust, dieses Spezialzüügli zu besteigen. Also ist Mitgliedschaft bei einem Verband wie demjenigen der Wirte oder Hoteliers fast Zwangsverpflichtung, um bei einer passenden BVG-Kasse aufgenommen zu werden. Eigentlich ein Fall für das Kartellamt. Via Hintertüre des L-GAV ein Monopol für die Hotelier- und Wirte-BVG schaffen.

Beim Thema Preisempfehlungen wurde von der seco bereits einmal signalisiert, wo die Grenzen von kartellistischem Tun liegen. Und trotz dem faktischen Versicherungsmonopol bröckelt der Mitgliedsbestand.

Keine Ferien für Weinhändler

Weinhändler die im Sommer etwas weniger, im Herbst dafür ordentlich mehr Umsatz tätigen, würden gerne im Juni/Juli Ferien planen. Die Weinhandelskontrollkommission mag ihren Schäfchen diese Pause nicht gönnen. Es reicht dem Staat nicht, nur Milch und Käse-Desaster zu verwalten. Beim Wein muss Hunziker für Statistiken sorgen. Gemäss revidierter Verordnung vom 1. Juni 2002 müsse die Weinhandelskontrollkommission bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Einreichungsfrist eine Gebühr von Fr. 20.- bis Fr. 200.- für die dann unverzüglich zuzustellende Mahnung verlangen, teilt Hunziker bereits am 17. Juni 2002 mit. Mit dieser Drohung wird als Frist für die Einreichung der jährlichen Inventar-Daten der 15. Juli genannt. In den einzureichenden Daten ist unter anderem der Warenbestand per 30.6. nach verschiedenen Ländern und Kriterien aufzuschlüsseln. Für den Kleinunternehmer heisst dies, die Ferienabreise mitten in die teuerste Ferienzeit verschieben, weil er innert zwei Wochen ein Inventar aufnehmen und andere Daten seines Weinhandels zusammenstellen muss. Keine Chance, die tieferen Ferien-Preise vor der Hauptsaison zu nutzen. Einzige Alternative: Die Kosten-Nutzen-Rechnung anstellen, ob sich die Strafe für verspätetes Einreichen im Verhältnis zum günstigeren Abflugtermin lohne. Oder dem Geschäftsführer Hunziker eine Fristerstreckungsgesuch schicken. Anrede: Lieber Hunziker. Diese Anrede soll nicht auf eine Unfreundlichkeit hinweisen, aber Hunziker hat keinen Vornamen. Auf seinem Zirkular Nr. 181 ist weder eine Initiale noch sonst ein Hinweis auf seinen Vornamen aufgeführt. Deshalb möchte Hunziker wohl so angesprochen werden.

Lieber Hunziker, sind solche Briefe im Sinne eines New Public Management? Sogar die Mehrwertsteuer lässt für das Einsenden des Formulars zwei Monate Zeit.

Personalverpflegung im Sinne der Gewerkschaften

Das SwissGastroCombi, ein Heft das z.B. der Gewerkschaftszeitung eXpresso beigelegt wird, beschreibt ohne Kommentar oder Präzisierung, wie Mitarbeiter verpflegt werden. Bei der Beschreibung eines Betriebes steht gewerkschaftlich sanktioniert: «Zur Auswahl stehen täglich über 20 verschiedene Gerichte zu Preisen zwischen Fr. 8.50 und 16.20. Und wenn es im „Belcanto“ nicht so läuft, wie geplant, kommen Künstler und Künstlerinnen und Opernmitarbeiter manchmal in den Genuss von Gourmetmenüs für 9 bis 15 Franken» sowie «Und was zuviel vorbereitet wurde, erfreut die Mitarbeiter des Opernhauses». Der unsorgfältige Schnellleser von heute wird diese Sätze überfliegen und sich sein Bild vom armen Mitarbeiter in der Gastronomie machen. Denn die schreiben doch genau, wovon sparsame Wirte träumen. Ohne murren der Gewerkschaft, werden Angestellte mit der laufenden Überschussproduktion des Betriebes verpflegt. Für den sparsamen Wirt heisst das einfach auftischen was grad übrig ist und dafür den vollen Verpflegungsabzug abziehen, mehr haben die Arbeiter doch nicht verdient. Solch unüberlegtes Geschreibsel ist eine Ohrfeige für all jene Betriebe, die Human Resource Management betreiben, eine Ohrfeige für jene Betriebe, die ihren Mitarbeitern eben nicht als Restenverwerter betrachten.
 

Eine neue Hotel- oder Gastronomie-Kette?

Eine grössere Gruppe von Hotels und Restaurants sucht Mitarbeiter. Eine Gruppe die in der ganzen Schweiz verteilt, egal ob in den Städten oder in Ferienzentren, allerlei offene Stellen ausschreibt. In Deutschland sucht die Domino-Gastro Mitarbeiter für «unsere Hotels und Restaurants». Da haben wir etwas verpasst. Portrait&Konzepte, das Jahrbuch der neuen Gastronomie, hinderschi und fürschi durchgeblättert auf der Suche nach einer Hotel- oder Restaurant-Gruppe dieses Namens. Von der Anzahl Betriebe her müssten die grössenmässig mit McDo und anderen mithalten können. Aber nix gefunden. Wir möchten nicht puritanisch tun, aber irgendwie wirkt diese Formulierung leicht irreführend. Ist das Image der Stellenvermittler so tief gesunken dass die nicht direkt schreiben können um was es im Inserat geht? Das kann’s nicht sein. Leute wie Kurt Oehrli strotzen vor Selbstvertrauen. Würde er im Rahmen der Hotel-Staff Expansion verheimlichen, dass es sich bei seinem Inserat um eine Stellenvermittlung handelt?

Sargträger der Meinungsäusserungsfreiheit?

«Ich werde die Sargträger der ganzen Bioidee hier nicht namentlich nennen ... vielleicht würden sie sogar ein paar Inserate streichen» schreibt Hanspeter Gsell in der htr vom 8. August 2002. Hoffen wir, seine Zeilen seien ein Missverständnis. Ein Autor der jeweils witzig und pointiert zu verschiedensten Themen Stellung bezieht, wird doch nicht ein paar Inserate wegen den Griffel von Dritten führen lassen.

Wir haben hier die Domino Gastro genannt. Egal ob sie nun Inserate platzieren oder nicht. Journalisten die Rücksicht auf die Inserenten nehmen, sind braunzüngige Maulkorbträger. Klarer als HanspeterGsell liess sich Trend-Magazin Chefredaktor Markus Tofalo im Facts vernehmen. Der potentiellen Werbung zuliebe verzichtet das Trend-Magazin  auf allzu kritisches. Gut hat Hanspeter Gsell seine Kolumne nicht eine Woche früher publiziert. Das ganze hat etwas mit Meinungs- und Pressefreiheit zu tun. Trittst Du im Maulkorb daher...